Organisation gegen Cyber-Angriffe schützen
Das Parlament genehmigt das deutsche IT-Sicherheitsgesetz - dies ist jedoch nur der erste Schritt hin zu einer sichereren Welt
Die Zukunft wird zeigen, ob das Gesetz in der Lage ist, das Niveau der Informationssicherheit in der deutschen Industrie zu heben
Von Dr. Adrian Davis, CISSP, Managing Director EMEA, (ISC)2
(04.08.15) - Mit der Genehmigung durch die Parlamentsabgeordneten und die Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag hat das IT-Sicherheitsgesetz Anfang Juni 2015 die letzte Hürde genommen. Alle Beteiligten warten nun auf die rechtlichen Details, die demnächst vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das dem Innenministerium angehört, verfasst werden. In diesen Details wird dargelegt, wie die geplante Verpflichtung zur Meldung von Cybervorfällen und anderen Ereignissen genau funktionieren soll.
Die Zukunft wird zeigen, ob das Gesetz in der Lage ist, das Niveau der Informationssicherheit in der deutschen Industrie zu heben. Kritiker aus vielen deutschen Nicht-Regierungs- und Branchenorganisationen, wie Bitkom, bezweifeln, dass das Gesetz ein echter Beitrag zur Verbesserung der IT-Sicherheit sein kann. Das Gesetz verpflichtet Betreiber sogenannter kritischer Infrastrukturen in den Bereichen Telekommunikation, Energie- und Wasserwirtschaft, Personenbeförderung, Finanz- und Gesundheitswesen zur Meldung von Sicherheitsvorfällen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, müssen sie eine Strafe von bis zu 100.000 Euro zahlen. Der entscheidende Teil dieses Gesetzes, wie zum Beispiel die Art und Weise, wie dem BSI diese Vorfälle zu melden sind, ist noch zu definieren. Viele Organisationen befürchten, dass ihre sensiblen Daten Kunden gegenüber ungeschützt wären, so dass nicht nur die IT-Systeme, sondern auch das Markenbewusstsein und das Image des gesamten Unternehmens Schaden nehmen könnten - mit entsprechenden Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb.
Abseits von Unternehmen und ihren Bedürfnissen sollten wir auch einen Blick auf das Herz eines jeden Sicherheitskerns werfen, nämlich auf den IT-Sicherheitsfachmann, der bemüht ist, seine Organisation gegen Cyber-Angriffe zu schützen. In den vergangenen Jahren haben wir eine weltweit wachsende Bedrohungslandschaft erlebt. Insbesondere wir, als global agierende, gemeinnützige Gesellschaft mit mehr als 110.000 Mitgliedern weltweit, stehen durch unsere verschiedenen Veranstaltungen mit diesen Experten, die vor Ort im Einsatz sind, in engem Kontakt und nehmen wahr, dass der Stress und der Arbeitsumfang dieser Jungs zunehmen. Deshalb sollten Regierungen in aller Welt, wenn sie an Gesetzen arbeiten, die eine bestimmte Branche betreffen, daran denken, dass sie sich bemühen müssen, das wahre Ausmaß zu verstehen, das ihre Maßnahmen in der Praxis haben werden.
Viele Sicherheitsexperten in Deutschland haben, bevor das Gesetz erlassen wurde, argumentiert, und tun dies jetzt über die Medien weiter, dass sie vor einer extrem schwierigen Aufgabe stehen: Sie müssen ein Gesetz umsetzen, das von Politikern und Rechtsanwälten ausgearbeitet wurde, und das kaum die Bedürfnisse der Menschen anspricht, die in der Informationssicherheit arbeiten. Wir sprechen dabei über eine Gruppe von Experten, deren Workload in den letzten Jahren ständig gewachsen ist. Sie müssen nun versuchen, die Sprache und den Blickwinkel der Gesetzesmacher zu verstehen, und dafür zu sorgen, dass das Gesetz in der Praxis funktioniert. Das ist eine Enttäuschung, denn hier wurde eindeutig eine Gelegenheit verpasst, diese Community hinzuzuziehen und allen Betroffenen das Leben zu erleichtern.
Der Berufsstand steht bereits unter Druck. Im Allgemeinen hat er nicht nur Schwierigkeiten, neue Mitarbeiter für die Branche zu interessieren und zu gewinnen, sondern auch das Problem mit der Tatsache, dass viele Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels noch immer Teile ihrer IT-Sicherheit auslagern. Jahrelang kamen zu wenige Experten in die Branche. Unsere eigene Studie, die "Global Information Security Workforce Study", zeigte, dass die Sicherheitsbranche in aller Welt bis 2020 1,5 Millionen neue Fachkräfte benötigt.
Den Beschwerden der Branche zufolge macht man sich ernsthafte Sorgen über das Potential an riesigen bürokratischen Belastungen. Die größte Lobby-Organisation der IT in Deutschland, die Bitkom, erwartet Gesamtkosten von 1,1 Milliarden Euro für die Einführung von Verfahren zur Umsetzung des Gesetzes.
Wir freuen uns, dass Regierungen sich um die Sicherheit kümmern - dies ist auch nötig - wichtig ist jedoch, dass diese Bemühungen auf das Erreichen gut verstandener strategischer Ziele gerichtet sind, und nicht nur eine schnelle Reaktion darstellen, die zeigen soll, dass etwas getan wird. Es ist auch wichtig, dass ihre Bemühungen praktische, erreichbare Maßnahmen enthalten, die von Praktikern an der vordersten Front umgesetzt werden können. Andernfalls werden wir Gesetze haben, mit denen die entscheidenden Probleme nicht gelöst werden können. ((ISC)2: ra)
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