- Anzeigen -


Sie sind hier: Home » Markt » Tipps & Hinweise

Im Einzelfall eher wenig praktische Hilfestellung


Mit Wirkung zum 25. Juli 2015 ist in Deutschland das neue IT-Sicherheitsgesetz für kritische Infrastrukturen in Kraft getreten: Empfehlungen und (An)Forderungen
Aber es bleibt noch eine Frage, die das Gesetz noch nicht eindeutig geklärt hat: Wer oder was genau ist eine "kritische Infrastruktur"?

Von Cyril Simonnet, Sales Director DACH/NORDICS/BE/NL bei Varonis

(27.08.15) - Auf ein Mal ging alles sehr schnell: Am 12. Juni 2015 hat der Bundestag das seit über zwei Jahren diskutierte IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet und am 10. Juli 2015 passierte es anstandslos auch den Bundesrat. Grundlage des Gesetzestextes ist die Entwurfsfassung vom Februar dieses Jahres inklusive der vom Innenausschuss empfohlenen Änderungen. Mit auslösend für den Charakter des Entwurfs waren vor allem die Angriffe auf sogenannte "kritische Infrastrukturen", kurz KRITIS. Welche damit gemeint sind und wer wie vom neuen Gesetz betroffen ist dazu später mehr.

Darin, dass der Bundestag ein Gesetz zur IT-Sicherheit exakt in der Woche verabschiedet als gerade zwei schwerwiegende Attacken bekannt werden - eine auf den Bundestag selbst und eine auf die IT-Sicherheitsspezialisten von Kaspersky - sieht Blogger und Autor Hakan Tanriverdi in der Süddeutschen Zeitung einen ganz erstaunlichen Zufall. Einmal mehr wurde offensichtlich, dass es auch vermeintlich sehr gut geschützte Netze auf unterschiedlichen Wegen "erwischen" kann.

Das mag zwar erheblichen Aufwand bedeuten, möglich ist es aber.

Schlagzeilen machte im letzten Jahr der APT-Angriff auf ein Stahlwerk in Deutschland. Über eine Spear-Phishing-Attacke plus Social Engineering war es den Angreifern gelungen, in das Büronetz vorzudringen und sich von dort aus (unentdeckt) in die Produktionsnetze vorzuarbeiten. Die Folge: zahlreiche Ausfälle von Steuerungskomponenten und Anlagen. So konnte beispielsweise ein Hochofen nicht mehr geregelt heruntergefahren werden und der undefinierte Zustand richtete massive Schäden an. Viel Aufsehen erregte zuvor auch der Computerwurm Stuxnet, der iranische Atomanlagen beziehungsweise deren Steuerungssysteme manipulierte.

Angriffe dieser Art lösten eine erneute öffentliche Diskussion darüber aus, wie man kritische Infrastrukturen besser schützen könne.

Mit "kritische Infrastrukturen" sind vor allem solche gemeint, die dafür sorgen, dass ein Gemeinwesen funktioniert. Also Energieversorger, Betreiber von Krankenhäusern, Banken und Versicherungen, Transport- und Logistikfirmen, aber auch IT- und Telekommunikationsunternehmen. Die branchenübergreifenden Regeln sollen denn nicht nur für ein einheitliches, sondern vor allem für ein besseres Sicherheitsniveau sorgen. Dazu existieren schon eine ganze Reihe von Rahmenwerken wie die ISO-Normenreihe, die IT-Grundschutzkataloge des BSI und Empfehlungen wie die der amerikanischen NIST. Welche technischen Maßnahmen konkret zu ergreifen sind, um eine kritische Infrastruktur zu schützen, lässt der Gesetzgeber allerdings offen.

Sollte dennoch der Fall des Falles eintreten, muss das BSI (das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) in seiner neuen Rolle als nationale Aufsichtsbehörde informiert werden. Hier greift die Meldepflicht nach § 8b Abs. 4 BSI-G. Ob anonym oder nicht und wie anonym eine solche Meldepflicht überhaupt sein kann, darüber wurde lange gestritten. Das IT-Sicherheitsgesetz endet hier in einer Kompromisslösung: grundsätzlich genügt eine anonyme Meldung. Haben der Angriff und der daraus folgende Datenklau aber Auswirkungen auf die kritische Infrastruktur, müssen Ross und Reiter genannt werden.

Aber es bleibt noch eine Frage, die das Gesetz noch nicht eindeutig geklärt hat.
Wer oder was genau ist eine "kritische Infrastruktur"?

RA Thomas Feil bezieht sich in seinem Blog recht-freundlich.de auf die Frage von Hakan Tanriverdi, ob beispielsweise ein IT-Sicherheitsunternehmen wie Kaspersky eine kritische Infrastruktur aus dem Bereich Informationstechnologie ist. Unbenommen sind die Signaturen eines Herstellers von unter anderem Antiviren-Lösungen für Hacker besonders interessant. Trotzdem verneint Feil aber die im Gesetz postulierte "hohe Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens".
Die sei bestenfalls indirekt gegeben.

Eine weitere Frage ist, ob und in welchem Maße öffentliche Verwaltungen unter das neue IT-Sicherheitsgesetz fallen, wenn sie kritische Infrastrukturen betreiben. Dagegen spricht nach Feil der Wille des Gesetzgebers, denn "in der Gesetzesbegründung des Entwurfs des IT-Sicherheitsgesetzes wird die Anwendung der Normen zu den Kritischen Infrastrukturen für die Verwaltung von Regierung und Parlament sowie die öffentliche Bundesverwaltung und die von ihr eingesetzte Technik (einschließlich der Technik, die im Auftrag der Bundesverwaltung betrieben wird) ausgeschlossen und als Spezialregelung §§ 4, 5 und 8 des BSIG angeführt (BT-Drucks. 18/4096, S. 24)."

So gibt es jetzt zwar ein Gesetz, das aber im Einzelfall eher wenig praktische Hilfestellung gibt. Änderungen der Rechtsverordnung in die eine oder andere Richtung sind also gut möglich und wohl auch zu erwarten.
Dass viele Begriffe nicht eindeutig definiert sind und das Gesetz an entscheidenden Stellen im Unklaren bliebe haben sowohl die Opposition als auch zahlreiche Verbände und Juristen kritisiert.

Noch haben die Betroffenen allerdings die knapp bemessenen zwei Jahre Zeit bis sie gegenüber dem BSI nachweisen müssen, dass sie die gesetzlich definierten Pflichten erfüllen. Und das im Übrigen danach regelmäßig alle zwei Jahre wieder. Können sie das nicht, werden je nach Einstufung des Verstoßes Bußgelder zwischen 50.000 und 300.000 Euro fällig. (Varonis: ra)

Varonis Systems: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Tipps & Hinweise

  • Sicherheitsmaßnahmen gegenüber Bedrohungen

    Steigende Compliance-Anforderungen und europäische Richtlinien wie die DSGVO oder die NIS-Richtlinie für kritische Infrastrukturen haben die Umsetzung von Cybersecurity-Maßnahmen in Unternehmen bereits wesentlich vorangetrieben. Jedoch erfüllen Unternehmen häufig lediglich die Mindestanforderungen - während Angreifer über umfassende und ausgefeilte Möglichkeiten verfügen, sich Zugang zu Unternehmensnetzwerken zu verschaffen. Mittelständische Unternehmen, beispielsweise in der produzierenden Industrie oder im Gesundheitswesen, stehen im Fokus von Hackern: Mittels Ransomware-Angriffen können Cyber-Akteure ganze Produktionsstraßen lahm legen oder Krankenhäuser vom Netz nehmen. Insbesondere in diesen Branchen ist der Schaden nach einer Attacke besonders groß, da sie enorme wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge haben und eine Vielzahl von Menschen betreffen. Für Hacker sind zudem vor allem mittelständische Unternehmen interessant, die wirtschaftlich erfolgreich sind, aber gleichzeitig nicht über die gleichen umfassenden Sicherheitsmaßnahmen verfügen wie große, börsennotierte Konzerne.

  • Nahezu kein Expertenwissen mehr benötigt

    Cyberkriminelle greifen mit gefälschten Rechnungen vermehrt Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Deutschland an. Das hat Proofpoint herausgefunden. Die Angreifer versenden dabei gefälschte Rechnungen, die als Köder verwendet werden oder aber die E-Mail beinhaltet einen Link zu einer Website, auf der das gefälschte Dokument zum Download zur Verfügung steht. Die Dokumente sind mit dem Remote Access Trojaner NanoCore infiziert. Laut Proofpoint enthalten Anhänge eine komprimierte ausführbare Datei (mit der Erweiterung ".Z"), während bösartige Links den Empfänger veranlassen, die auf onedrive.live.com gehostete Malware herunterzuladen.

  • Fünf Sofortmaßnahmen zur Systemhärtung

    Guardicore gibt Sicherheitsempfehlungen für das Support-Ende von Windows Server R2, Windows Server 2008 und Windows 7. Ab 14. Januar 2020 werden Nutzer dieser Microsoft-Betriebssysteme keine kostenlosen Sicherheitsupdates und Online-Aktualisierungen mehr erhalten. Ohne sicherheitsrelevante Updates sind die betroffenen IT-Systeme gegen neu entdeckte Schwachstellen nicht mehr geschützt. Zwar sind die genannten Betriebssysteme teilweise bereits über ein Jahrzehnt alt, aber Schätzungen zufolge ist allein Windows Server 2008/2008 R2 immer noch auf fast jedem dritten Server weltweit im Betrieb. Viele Organisationen können nicht auf aktuelle Betriebssystemversionen wechseln, weil sie komplizierten Gesetzes- und Zertifizierungsanforderungen unterliegen, oder einfach nicht das erforderliche Budget zur Verfügung haben. Gefragt sind deshalb Überbrückungslösungen - auch um zeitaufwendige Migrationsprozesse begleiten zu können.

  • Abfangen und Manipulieren von E-Mails

    Die E-Mail ist das Kommunikationsmittel Nummer eins. Unternehmen sind in der Pflicht, sich mit der E-Mail-Sicherheit zu beschäftigen, kommunizieren sie doch sowohl intern als auch extern. Nahezu täglich ist von Datenpannen und Datendiebstählen zu hören: Fremde verschaffen sich - zum Teil leider kinderleicht - Zugang zum internen Unternehmenssystem und greifen Daten ab oder manipulieren diese. Einfache, unverschlüsselte E-Mails stellen deshalb grundsätzlich eine Gefahr dar: Sie ähneln einer Postkarte, deren Inhalt jeder lesen kann. "Denn gehen E-Mails weder digital signiert noch verschlüsselt auf die Reise, können die Inhalte nicht nur ausspioniert, sondern auch manipuliert werden. Da Angriffe dieser Art in aller Regel nicht sicht- und nachweisbar sind, wird die E-Mail-Sicherheit leider nach wie vor oft stiefmütterlich behandelt. Wie oft und von wem E-Mails gelesen werden, kann ihnen niemand ansehen", warnt Patrycja Tulinska, Geschäftsführerin der PSW Group.

  • Neuer Standort und neue BC/DR-Strategie?

    Die Entfernung zwischen georedundanten Rechenzentren soll mindestens 200km betragen. So empfiehlt es das BSI seit diesem Jahr. Dies stellt viele Unternehmen vor Probleme, betrug die bisher empfohlene Distanz in der Vergangenheit doch gerade einmal fünf Kilometer. Diese geringe Distanz erlaubte es den Betreibern bisher, ihre Rechenzentren über HA-Systeme synchron zu spiegeln. Dies ist bei einem Abstand von 200km jedoch nicht mehr möglich: Die Latenz zwischen den Standorten ist einfach zu hoch, um Organisationen mit traditionellen Hochverfügbarkeits- und Backup-Lösungen gegen Systemausfälle zu schützen. Was können Unternehmen nun tun, um ihre IT etwa gegen logische Fehler oder Ransomware-Attacken abzusichern, um minimalen Datenverlust und kurze Ausfallzeiten zu garantieren? Der neue Mindestabstand, den das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) seit Dezember 2018 zwischen sich Georedundanz gebenden Rechenzentren empfiehlt, stellt in vieler Hinsicht eine Zäsur dar. Er stellt die Nutzung synchroner Spiegelung grundsätzlich infrage und hat damit einen direkten Einfluss darauf, wie Rechenzentren hierzulande betrieben werden. Wer eine "kritische Infrastruktur" betreibt, wird vom Gesetzgeber sogar dazu gezwungen der Empfehlung zu folgen. Und wer das Pech hat Teil eines Branchenverbandes zu sein, der den Empfehlungen des BSI folgt, wie etwa Mitglieder der Bankenbranche Bafin, haben ebenfalls keine Wahl. All diese Organisationen müssen auf die Entscheidung reagieren und den Abstand ihrer Rechenzentren auf mindestens 200km bringen.