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Schutzmechanismen für Online-Banking ausgehebelt


"Operation Emmental" umgeht eine häufig genutzte Form der Zwei-Faktor-Authentifizierung und hebelt den Schutz durch Sitzungs-Token aus
Angriff beginnt mit einer E-Mail, die vermeintlich von einem bekannten Online-Versandhändler oder einem ebenfalls weit verbreiteten Konsumgüterunternehmen stammt

(08.08.14) - Die Schokolade, das Uhrenhandwerk, der Käse, das Bankgeheimnis: Es gibt viele Dinge, für die die Schweiz auf der ganzen Welt bekannt ist. Doch ausgerechnet beim Online-Banking könnte der gute Ruf Kratzer bekommen. Zwar haben Banken verschiedene Methoden entwickelt, um Cyberkriminellen den Zugriff auf die Online-Konten ihrer Kunden zu verwehren. Doch ein von Forschern von Trend Micro nun aufgedeckter Angriff ("Operation Emmental") umgeht eine häufig genutzte Form der Zwei-Faktor-Authentifizierung und hebelt den Schutz durch Sitzungs-Token aus, die per SMS an die mobilen Endgeräte der Bankkunden gesendet werden. Hinter dem Angriff stecken aller Wahrscheinlichkeit nach Cyberkriminelle, die in einem russischsprachigen Land leben. Betroffen sind Bankkunden in der Schweiz und in Österreich. Trend Micro hat die betroffenen Banken und Unternehmen über den Angriff informiert.

Die Palette der Schutzmechanismen beim Online-Banking reicht von simplen Passwörtern über PIN- und TAN-Nummern bis hin zu Sitzungs-Token, die per SMS an die Mobilgeräte gesendet werden, so dass Anwender ihre Identität authentifizieren und die Banking-Sitzungen aktivieren können. Da die Token über einen separaten Kanal gesendet werden, wird diese Methode der Zwei-Faktor-Authentifizierung allgemein als sicher angesehen. Einige der untersuchten Banken nutzen beispielsweise auch Foto-TANs oder die Ausgabe physischer Kartenlesegeräte. Beim Großteil ihrer Kunden kommen jedoch Sitzungs-Token zum Einsatz, die per SMS übertragen werden.

Auf der Suche nach den Löchern: Vorbereitung des Angriffs
Dies machten sich die Cyberkriminellen zunutze und umgingen den Schutz auf komplexe Art und Weise: Der Angriff beginnt mit einer E-Mail, die vermeintlich von einem bekannten Online-Versandhändler oder einem ebenfalls weit verbreiteten Konsumgüterunternehmen stammt. Sobald Anwender die Datei im E-Mail-Anhang öffnen, wird eine zweite Datei ("netupdater.exe") heruntergeladen und ausgeführt, die den Rechner infiziert.

Die Malware nimmt drei Änderungen vor:

>> Sie ändert die DNS-Servereinstellungen (DNS = Domain Name System) des Systems und verweist auf einen Server, der unter der Kontrolle der Angreifer steht – ab diesem Punkt können die Angreifer steuern, wie das infizierte System Namen von Internet-Domains auflöst.

>> Sie installiert ein neues SSL-Zertifikat einer Root-Certificate-Authority (SSL = Secure Sockets Layer) – hierdurch können die Angreifer Inhalte von SSL-verschlüsselten Phishing-Websites anzeigen, ohne eine Browser-Warnung auszulösen. SSL-Verschlüsselung wird vor allem mit dem https-Übertragungsprotokoll eingesetzt.

>> Sie löscht sich selbst, ohne Spuren zu hinterlassen – dies erschwert es Anwendern, die Infektion nach der Installation zu entdecken. Die eigentliche Infektion ist nicht die Malware, sondern lediglich eine Konfigurationsänderung im System. Wenn der Infektionsversuch nicht sofort entdeckt wurde, wird bei darauf folgenden Malware-Suchen keine Bedrohung erkannt, da die Datei dann nicht mehr vorhanden ist (siehe Abbildung 5 im Forschungsbericht).

Löcher gibt es nicht nur im Käse: Ablauf des Angriffs

Anwender, deren Rechner infiziert wurden, werden bei jedem Versuch, Online-Banking zu betreiben, auf einen Phishing-Server umgeleitet und landen auf einer gefälschten Seite. Weil diese Kommunikation über eine sichere https-Verbindung erfolgt, können Anwender nicht erkennen, dass sie nicht mit ihrer Bank kommunizieren: Da auf dem System ein gefälschtes Zertifikat installiert ist, wird ihnen keine Browser-Warnung angezeigt.

Sobald die Anwender Benutzername, Konto- und PIN-Nummer eingeben, werden sie aufgefordert, eine App auf ihrem Smartphone zu installieren (siehe Abbildung 10 im Forschungsbericht). Angeblich ist ohne die App in Zukunft kein Online-Banking mehr möglich. Diese bösartige Android-App gibt vor, ein Session-Token-Generator der Bank zu sein – in Wirklichkeit dient sie dazu, die SMS-Nachrichten der Bank abzufangen und sie an einen Befehls- und Kontroll-Server (C&C-Server) weiterzuleiten. Die Angreifer erhalten über die Phishing-Website sowohl die Anmeldeinformationen der Anwender zum Online-Banking als auch die für das Online-Banking nötigen Session-Token. Nun haben sie die volle Kontrolle über das Bankkonto der Anwender und können in deren Namen Online-Transaktionen ausführen.

So löchrig wie Schweizer Käse: Zusammenfassung des Angriffs
Martin Rösler, Leiter des Bedrohungsforscher-Teams bei Trend Micro, bilanziert: "Bei ‚Operation Emmental‘ handelt es sich um einen komplexen Angriff mit mehreren Komponenten und einer umfangreichen Infrastruktur. Dass sich der markanteste Teil des Angriffs – die PC-Malware – selbst löscht, ohne Spuren zu hinterlassen, half den Angreifern vermutlich, sich relativ bedeckt zu halten."

Rainer Link, Mitglied des Bedrohungsforscher-Teams bei Trend Micro und einer der Autoren, ergänzt: "Anders als bei mTAN-Verfahren, bei denen für jede Transaktion eine einzelne TAN-Nummer angefordert wird, können die Cyberkriminellen mithilfe des Sitzungs-Token unbemerkt mehrere Transaktionen während einer Sitzung ausführen. Sie können die Online-Banking-Sitzung selbst starten, während die Anwender davon erst beim aufmerksamen Durchlesen ihrer Kontoauszüge erfahren. Das teilweise sehr umständliche Deutsch der Anweisungen heißt nicht zwangsweise, dass die Gefahr niedrig ist. Vielmehr ist es auch sehr gut möglich, dass die Cyberkriminellen hier Geldwäsche betreiben. Und sich dafür der Anwender bedienen, die weniger aufmerksam oder weniger versiert sind, was Online-Gefahren betrifft, und deshalb weniger auf die in einer Nachricht verwendete Sprache achten." (Trend Micro: ra)

Trend Micro: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Hintergrund

  • Hybride aus Daten-Diebstahl und Ransomware

    SophosLabs und Sophos Managed Threat Response haben einen Bericht über eine neue Ransomware veröffentlicht, die eine bisher noch nicht bekannte Angriffsmethode verwendet: Die sogenannte Snatch-Ransomware geht mit variierenden Techniken vor und veranlasst unter anderem einen Neustart übernommener Computer im abgesicherten Modus, um verhaltensorientierte Schutzmaßnahmen, die speziell nach Ransomware-Aktivitäten wie das Verschlüsseln von Dateien Ausschau halten, zu umgehen. Sophos geht davon aus, dass Cyberkriminelle damit eine neue Angriffstechnik etabliert haben, um fortschrittliche Schutzmechanismen auszuhebeln. Neben der neuen Angriffstaktik belegt ein weiterer interessanter Fund, dass sich ein anderer Trend fortzusetzen scheint: Kriminelle filtern immer häufiger Daten heraus, bevor die eigentliche Ransomware-Attacke startet. Die entwendeten Daten könnten zu einem späteren Zeitpunkt für Erpressungen, auch in Zusammenhang mit der DSGVO, verwendet werden. Ähnliches Verhalten konnten die SophosLabs zum Beispiel bei Ransomware-Gruppen wie Bitpaymer feststellen.

  • Windows-Zero-Day-Exploit zur Rechteausweitung

    Kaspersky-Technologien haben eine Zero-Day-Schwachstelle im Windows-Betriebssystem gefunden. Der darauf basierende Exploit ermöglichte es Angreifern, höhere Privilegien auf dem attackierten Gerät zu erlangen und Schutzmechanismen im Google Chrome Browser zu umgehen - wie es in der WizardOpium-Kampagne geschah. Ein Patch wurde bereits veröffentlicht. Die neue Windows-Schwachstelle wurde von Kaspersky-Forschern aufgrund eines anderen Zero-Day-Exploits gefunden. Bereits im vergangenen November hatten die Exploit-Prevention-Technologien, die in den meisten Produkten des Unternehmens integriert sind, einen Zero-Day-Exploit in Google Chrome gefunden. Dieser Exploit ermöglichte es den Angreifern, beliebigen Code auf dem Computer des Opfers ausführen. Im Rahmen weiterer Untersuchungen dieser Kampagne, die die Experten WizardOpium tauften, wurde nun der Exploit im Windows-Betriebssystem gefunden.

  • Phishing ist ein langfristiges Problem

    Akamai Technologies hat den "State of the Internet"-Sicherheitsbericht 2019 "Phishing - Baiting the hook" veröffentlicht. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Cyberkriminelle unternehmensbasierte Entwicklungs- und Bereitstellungsstrategien wie Phishing-as-a-Service nutzen, um die größten Technologiekonzerne der Welt anzugreifen. Knapp 43 Prozent der beobachteten Domains zielten auf Microsoft, PayPal, DHL und Dropbox ab. Der Bericht legt offen, dass Phishing nicht mehr nur eine E-Mail-basierte Bedrohung ist, sondern auch Social Media und mobile Geräte umfasst. Es handelt sich um ein weitreichendes Problem, das alle Branchen betrifft. Da sich die Angriffsmethoden weiterentwickeln, entstehen neue Techniken, etwa für Attacken auf geschäftliche E?Mails (Business E?Mail Compromise, BEC). Laut dem FBI führten BEC-Angriffe zwischen Oktober 2013 und Mai 2018 zu weltweiten Verlusten von mehr als 12 Milliarden US-Dollar.

  • Ziel des Angriffs kann sogar geblacklisted werden

    Im Laufe des Jahres 2019 haben das Threat Research Center (TRC) und das Emergency Response Team (ERT) von Radware eine zunehmende Anzahl von TCP-Reflection-Angriffen überwacht und verteidigt. Bei solchen Angriffen werden nicht nur die eigentlichen Ziele in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch nichts ahnende Netzwerkbetreiber, deren Ressourcen benutzt werden, um die Attacke zu verstärken. Im Extremfall wird das Ziel des Angriffs als vermeintlicher Urheber der Attacke sogar von den einschlägigen Service-Anbietern auf deren Blacklists gesetzt. TCP-Reflection-Angriffe wie die SYN-ACK Reflection waren bis vor kurzem bei Angreifern weniger beliebt. Der Mangel an Popularität war hauptsächlich auf die falsche Annahme zurückzuführen, dass TCP-Reflection-Angriffe im Vergleich zu UDP-basierten Reflexionen nicht genügend Verstärkung erzeugen können. Im Allgemeinen haben TCP-Angriffe eine geringe Bandbreite und die Wahrscheinlichkeit ist geringer, dass eine Internetverbindung gesättigt wird. Stattdessen werden TCP-Angriffe genutzt, um durch hohe Paketraten (Packets Per Second - PPS) viele Ressourcen von Netzwerkgeräten zu binden und so Ausfälle zu provozieren.

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